Kolumne – Gut gesagt
US-Zoll-Schock, EU-Druck und verrückte Zeiten hin oder her: Niemand kann das Schweizer Erfolgsmodell zerstören. Ausser wir selbst.

Es war ein zeitliches Aufeinandertreffen mit Symbolcharakter: Ausgerechnet am 1. August, dem Schweizer Nationalfeiertag, musste Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter das Scheitern des Deal-Zolls mit den USA erklären. Seither wurde weiter verhandelt, vorerst aber ohne Erfolg. Der Schock sass tief und vermieste die Feierlaune.
Doch Trübsal blasen ist fehl am Platz. Die Eidgenossenschaft hat schon andere Stürme überlebt. Wenn sie fokussiert und kreativ bleibt, wird sie auch hier eine Lösung finden.
Ebenso verfehlt sind allerdings die Sirenenrufe der Linken und Europhilen: Sie spielen nun Amerika gegen die EU aus und behaupten, die Schweiz müsse sich nun erst recht an Brüssel binden, dann komme alles gut. Was für ein Irrtum!
Permanente Korrektur von Regierung und Parlament
Das politische System der Schweiz ist einzigartig – und schlicht nicht vereinbar mit der autoritären Bürokratenherrschaft à la EU: Wir haben einen Staatsaufbau von unten und nicht von oben herab. Die (halb-)direkte Demokratie erlaubt eine permanente Mitgestaltung und Mitbestimmung und – was ebenso wichtig ist – eine permanente Korrektur von Regierung und Parlament.
Der Föderalismus sorgt dafür, dass Entscheidungen dort getroffen werden, wo die Betroffenen sind: in den Gemeinden, Kantonen – und erst zuletzt beim Bund.
Die Eidgenossenschaft vereint vier Sprachen und Kulturen, in einem friedlichen, bereichernden Miteinander. Die bewaffnete Neutralität – als massgeschneiderte Maxime für unseren Kleinstaat – sichert Frieden und Wohlstand.
Auch die Bürokratie und die Steuern halten sich bei uns noch einigermassen in Grenzen. Eine aktuelle Umfrage bestätigt: Die Schweizer wollen und können am besten haushalten. Unter allen europäischen Nationen sind sie am kritischsten gegenüber zusätzlichen Staatsausgaben.
Kurzum: Wir verfolgen das Ideal eines schlanken Staates, der durch die Bürger in einem Milizsystem gebildet wird.
Ausverkauf der direkten Demokratie
Doch wir müssen auch selbstkritisch bleiben. Vieles von dem, was die Eigenossenschaft auszeichnet, existiert nur noch auf dem Papier.
Was nützt die direkte Demokratie, wenn Volksentscheide nicht umgesetzt werden? Was ist das für eine Unsitte in Bundesbern, dass die Volksvertreter, kaum hat das Volk entschieden, dieselben Geschäfte, die vom Volk abgelehnt wurden, gleich wieder in Gesetze giessen, als gäbe es das Volk nicht? Das ist zum Beispiel beim E-ID-Gesetz und bei den Mediensubventionen so. Daran kann man ablesen, was die Politiker vom Volk halten: nichts.
Schaut man genauer hin, so gilt auch für die Schweiz: Die eigentliche Macht liegt nicht beim Volk, auch nicht bei Parlament und Regierung, sie liegt bei der Verwaltung.
Auch mit dem Föderalismus ist es nicht mehr allzu weit her. Die Gemeinden ächzen unter gebundenen Ausgaben von 80 Prozent oder mehr. Vielfalt und Wettbewerb geraten auch bei uns unter Druck. Zentralistische Tendenzen zerfressen unseren antizentralistischen Staat. Verantwortung diffundiert und wird nach oben delegiert.
Oder nehmen wir die bewaffnete Neutralität: Bundesrat, Parlament und Armeespitze tun seit Jahrzehnten nichts anderes, als die Neutralität aufzuweichen und die Armee zu schwächen – eine Selbstdemontage von oben und mit Ansage.
Freier sein als andere
Halten wir also fest: Die Schweiz als Idee ist grossartig. In der Praxis müssen wir aber aufpassen, dass wir sie nicht selbst verraten und das Erfolgsmodell nicht eigenhändig schleifen.
Die eigentliche Gefahr für die freie, unabhängige, erfolgreiche Schweiz liegt nicht irgendwo da draussen, sie liegt weder in Brüssel noch in Washington, noch in Moskau. Sie liegt bei uns selbst. Nur wir können uns zu Fall bringen. Besteht die Raison d’être, der Sinn und Daseinszweck der Eidgenossenschaft nicht darin, frei zu sein, freier als andere?
Sind wir das nicht mehr, machen wir uns überflüssig.
Dr. Philipp Gut
Ihre Meinung zu diesem Thema interessiert mich. Schreiben Sie mir per Mail an: philipp.gut@schweizerkombi.ch



