«Basel ist ein hartes Pflaster für Eishockey, aber…»

    Herausforderungen für den EHC Basel und die Eishockeyschweiz: Aussenbeobachtungen eines ausgewiesenen Experten

    Die Fussballer haben die abgebrochene Saison fortgesetzt. Die Eishockeycracks haben schon im April 2020 die Saison ad acta gelegt und sich unter erschwerten Bedingungen der Planung der neuen Saison gewidmet. Auch der EHC Basel ist voll in den Vorbereitungen für eine sehr wichtige Saison 2020/21.

    (Bilder: zVg) Ueli Schwarz, Eishockeyexperte aus Leidenschaft

    In der Post Corona-Saison soll für den EHC Basel der Aufstieg in die Swiss League perfekt gemacht werden. Mit dem neuen, renommierten Chefcoach Christian Weber und einem massiv verstärkten Kader. Wir haben an dieser Stelle vor einigen Wochen während der Hochphase des Lockdowns bereits mit dem EHC Basel- Sportdirektor Olivier Schäublin ein Interview publiziert, in welchem er die aktuellen Herausforderungen aus seiner Sicht nennt. Nun läuft das Sommertraining für die Eishockeyclubs und natürlich auch für den EHC Basel und wir nutzen die Gelegenheit, eine Gesamtübersicht über die aktuelle Lage zu gewinnen, indem wir einen Insider dieses Geschäftes zu den jetzt brennenden Themen rund um den Eishockeysport in der Schweiz und natürlich auch in Basel zu befragen: Ueli Schwarz.

    Ueli Schwarz ist nicht nur ehemaliger Cheftrainer und Sportdirektor auf höchster Ebene, ehemaliger Liga-Direktor und einer der Frontleute bei den Organisationskomitees der Weltmeisterschaften 2009 und der leider der Conona-Pandemie zum Opfer gefallenen WM 2020, sondern auch Delegierter des Verwaltungsrats beim EHC Biel, ist strategischer Berater bei der Athletes Management Agentur Sportagon und bei Sportlifeone, amtiert als strategischer Berater beim SC Langenthal und arbeitet als TV-Experte beim Sportsender MySports. Das sind nur einige seiner Mandate. Und er kennt den EHC Basel sehr gut, war er doch jahrelang Sportdirektor beim EHC Basel, als dieser noch in der National League auf höchstem nationalen Niveau agierte. Wir haben ihn zu einigen der aktuellen Herausforderungen im hiesigen Eishockey befragt.

    Ueli Schwarz, Sie kennen die Eishockeyszene in Basel und – auch wenn es einige Jahre her ist – seit Ihrem Mandat als Sportdirektor des Clubs. Sie haben das Geschehen auch in der Folgezeit aufmerksam weiter beobachtet. Wie ist Ihr aktueller Eindruck?
    Ueli Schwarz: Der EHC Basel macht keine Geheimnisse aus seinen Ambitionen, dass man in der MySports League ganz weit vorne mitspielen will und dass mittelfristig nur der Aufstieg zählt und die Etablierung in der Swiss League angestrebt wird. Die Voraussetzungen dafür sind erfüllt. Ich kann aber auch aus eigener Erfahrung sagen, dass es in Basel nicht so einfach ist, wenn man zu viel auf einmal will. Ich kann dem EHC Basel nur raten, den bisherigen Weg weiterzuverfolgen, auf junge Spieler zu setzen, kontinuierlich etwas aufzubauen und einen Schritt nach dem anderen zu realisieren. Dann hat der EHC Basel definitiv das Potential sich zumindest mittelfristig zurück in die Swiss League zurück zu kämpfen. Es würde mich sehr freuen, wenn das gelingen würde.

    Sie haben es mehrfach am eigenen Leibe spüren müssen: Die Corona-Pandemie hat viele Pläne durchkreuzt. Wie wird sich die Eishockeylandschaft oder gar -kultur in den kommenden Monaten verändern?
    Es ist sehr schwer abzuschätzen wie sich die Eishockeylandschaft Schweiz verändert. Ich glaube, dass von all diesen Regeln, die man in den Stadien anwenden muss – wie Social Distancing zum Beispiel – einige teilweise logistisch und infrastrukturell sehr schwer umsetzbar sind. Da wird es viele Anpassungen geben müssen wie beispielsweise Ein-und-Auslassregeln, Bestimmungen bezüglich der Toilettengänge, das Management der Stehplätze und vieles mehr. Das ist sicherlich eine absehbare Entwicklung. Wir müssen also auch mit infrastrukturellen Veränderungen rechnen. Ich frage mich: Ist die Zeit der Stehplätze vorbei, da wir nunmehr auf Abstand halten konditioniert sind?
    Ein zweiter Gedanke von mir dreht sich um das Financial Fairplay, das man höchstwahrscheinlich einführen müsste. Wieso? Die wirtschaftlichen Auswirkungen von Covid19 sind noch ebenso wenig absehbar, wie die Frage, wie es mit Grossveranstaltungen weiter gehen soll. Zwangsläufig rückt die Finanzierung des Spitzensports ins absolute Zentrum. Solche Eingriffe ins Lohnsystem wird die Arbeit der Sportdirektoren eindeutig verändern. Ich hoffe aber, dass man im Schweizer Eishockey nicht versucht zu oft und zu viele Dinge zu ändern. Denn jeder Eingriff in ein komplexes Ligasystem hat viele Nebenwirkungen. Diese Nebenwirkungen sollten einem bewusst sein, bevor man aus der Not versucht irgendeinen Hüftschuss zu machen. Ich bin der Meinung, dass man dieses Financial Fairplay angehen sollte, aber auch analysieren müsste, was dies für eine weitreichende Bedeutung hat.

    Ueli Schwarz bei der Arbeit: Analyse und Expertise beim Sportsender MySports

    Sehr interessant ist aus Basler Sicht das Thema Ligagrösse. Mehr Clubs in den oberen Ligen würde einen sportlichen Aufstieg oder auch einen am grünen Tisch in die Swiss League vereinfachen …
    Ich denke das Thema Ligagrösse wird bei uns auf den Tisch kommen. Beginnend mit der National League. Bleibt man bei zwölf Clubs oder redet man von einer Bandbreite bis 14 Clubs. Je mehr Teams man hat, desto grösser ist die Nachfrage an Spielern und der Druck auf die Löhne steigt. Auf der anderen Seite muss man hier beachten, dass man den Teams aus den unteren Ligen nicht die Perspektive wegnimmt, weil diese fast keine Chance mehr haben aufzusteigen. Hier muss auch eine durchdachte Lösung her. Es ist wichtig, dass die Perspektiven für alle Clubs gegeben sind.

    Sie haben viele Jahre Erfahrung auch als Sportdirektor, als General Manager. Wie sehen Sie die aktuellen Herausforderungen für Sportchefs wie beispielsweise EHC Basel GM Olivier Schäublin?
    Die Sportchefs sitzen in einem ähnlichen Boot wie die CEO. Sportdirektoren haben die Herausforderung, die vertraglich abgemachten Löhne zu garantieren. Aktuell steht man auch vor der Wahl, jetzt noch nicht vollständige Kader zu füllen, oder aus finanziellen Überlegungen vorerst noch keine neuen Personalausgaben zu tätigen. Das hängt natürlich je nach Club und dessen Ausgangslage ab. Die Sportdirektoren müssen nun sehr weitsichtig denken und agieren. In der National und Swiss League ist das Management des Budgets für die Ausländerpositionen delikat. Zudem zeichnet sich ab, dass in dieser schwierigen Situation auch die Themen Lohnober- und untergrenze, Salary Cap oder Financial Fairplay aktuell werden. Zudem wird sicherlich das Scouting noch wichtiger. Der GM muss sich bei jedem Spieler dann haargenau die Überlegungen machen, wie das Preis-Leistungsverhältnis ist und die Scoutingabteilung gut bestücken.

    Interview: JoW und Daniele Ciociola


    Der Coach ist der «Star»

    Der EHC Basel hat im Frühling 2020 mit der Verpflichtung von Christian «Chrigl» Weber einen regelrechten Coup gelandet und somit deutlich die Ambitionen untermauert. Weber war als Nationalspieler und bei den ZSC Lions und beim HC Davos in seiner Aktivzeit schon eine grosse Nummer. Auch als Chefcoach in der National League, später als Sportdirektor in der Swiss League und als Ausbilder machte sich der jetzt 56-jährige danach einen Namen, bevor er für einige Jahre in Österreich (Klagenfurt, Lustenau) als GM oder Chefcoach amtierte.

    Vielen Eishockeyfans ist der Dübendorfer zudem seit Jahren als TV-Experte beim Schweizer Fernsehen bekannt. Er wird dieses Mandat auch in Zukunft ausüben. In den Sommermonaten unterstützt «Chrigel» Weber in der Regel (je nach der Situation bezüglich Corona-Pandemie) zudem die IIHF bei Förderprogrammen für einige Asiatische Verbände.
    Er weiss, wie man mit Erfolgsdruck umgeht und sagt über die bisher unkonventionelle Saisonvorbereitung: «Durch die Corona Zeit habe ich die Spieler nur bei den Tests gesehen und sie dort auch persönlich kennen gelernt. Mit Sportchef Oliver Schäublin telefoniere ich jeden Tag mehrmals und wir diskutieren über Themen, die gerade anfallen oder über Massnahmen, die wir gerne durchführen möchten. Ich denke, der EHC Basel hat das Maximum in dieser schwierigen Zeit heraus geholt.» Das Ziel, so «Chrigl» Weber, sei einfach und klar: in die Swiss League aufsteigen. «Der Verein unternimmt alles dafür, dieses Ziel zu erreichen. Wir haben ein junges dynamisches Team mit viel Entwicklungspotenzial. Wir haben uns zudem mit dem einen oder anderen Routinier verstärkt. Wenn wir in der entscheidenden Phase verletzungsfrei bleiben bin ich sicher, dass wir ein wichtiges Wort um den Aufstieg mitreden werden.»

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