«Auch im Digitalen braucht es ein Äquivalent des öffentlichen Raums…»

    Das DigitalLabor ist eine Schweizer Veranstaltungsreihe mit dem Ziel, Personen aller Altersgruppen in eine Diskussion zu den gesellschaftlichen Veränderungen rund um die Digitalisierung zu verwickeln. Zuletzt war Basel als dritte von acht Stationen an der Reihe mit einem LinkedIn-Webinar-Event. Zusammen mit dem Smart City Lab Basel konnten lokale Persönlichkeiten ins Gespräch einbezogen werden, die nach dem Motto «Visionen für ein digitales Basel 2030» ihre persönlichen Zukunftsvisionen präsentiert haben. Das Publikum konnte diese Visionen hinterfragen und ergänzen.

    (Bild: zVg / Digital Lab.) Der LinkedIn Webinar-Anlass zum Thema «Visionen für ein digitales Basel 2030» fand viel Beachtung.

    Das Lab für Innovationsethik ethix und der Thinktank Dezentrum organisieren derzeit eine Veranstaltungsreihe rund um die gesellschaftlichen Herausforderungen im Zusammenhang mit der Digitalisierung. Diese ist initiiert von der Stiftung Mercator Schweiz. An acht Stationen in der ganzen Schweiz lädt das DigitalLabor zu Workshops, Diskussionsrunden und einer Ausstellung zu den Schwerpunktthemen Zukunft der Arbeit und Bildung und digitale Zukunft der sozialen und politischen Partizipation ein. So gestalten die Teilnehmenden des DigitalLabors über acht Etappen hinweg eine gemeinsame Vision der digitalen Schweiz 2030.

    Die Organisator/innen wollen einem breiten Publikum die Möglichkeit bieten, die Digitalisierung zum Gegenstand einer gesellschaftlichen Debatte zu machen. Aber sie geben auch zu bedenken, dass «die Digitalisierung allzu oft als Reihe von technologischen Fortschritten beschrieben würde, wodurch der Eindruck entstehen könne, dass sie uns als Nutzer- und als Bürger/innen aufgezwungen würde». «Wir jedoch wollen den Teilnehmenden aufzeigen, dass wir den digitalen Wandel mitgestalten können. Mit neuem Wissen und neuen Tools wollen wir gemeinsam mit den Teilnehmenden aus allen Landesteilen eine Vision einer wünschenswerten digitalen Zukunft erstellen», heisst es beim Lab für Innovationsethik ethix.

    Die Zukunft der sozialen und politischen Partizipation
    Von den unzähligen Bereichen, die von der Digitalisierung betroffen sind, würde man sich vor allem mit der Zukunft von Bildung und Arbeit sowie der Zukunft der sozialen und politischen Partizipation befassen. Die Zukunft der Arbeit sei nicht nur für die jungen Menschen von heute relevant, von denen rund 60 Prozent in Berufen arbeiten werden, die es heute noch gar nicht gibt. Sie sei ebenso wichtig für das lokale und regionale Gewerbe, in dem sich berufliche Tätigkeiten über das nächste Jahrzehnt stark verändern werden. Die Zukunft der sozialen und politischen Partizipation würde hingegen nachhaltig beeinflussen, wie wir in der Gesellschaft leben. «Digitale Werkzeuge werden nicht nur die Kommunikation zwischen Bürger/innen und Verwaltung verbessern, sondern auch neue Möglichkeiten der politischen Beteiligung für Menschen eröffnen, die zurzeit formal oder faktisch davon ausgeschlossen sind», heisst es zudem bei den Initiantinnen und Initianten. Wir haben uns mit Lea Strohm von DigitalLabor darüber unterhalten, welches Fazit sie aus dem Basler Event gezogen hat.

    Das Thema «Digitalisierung» ist umfangreich. Wie wollen Sie dieses so eingrenzen, damit so viele Menschen wie möglich erreicht werden können?
    Lea Strohm: Spätestens seit der Pandemie spüren wir, dass der digitale Wandel uns alle betrifft und unser Leben ruckartig verändert. Trotzdem wird er häufig als etwas wahrgenommen, worüber wir keine Kontrolle haben. Wir werden einfach mit den Auswirkungen konfrontiert, ohne dass wir mitreden können. In einer Demokratie müssen jedoch alle, die von einem Veränderungsprozess betroffen sind, an dessen Gestaltung teilhaben können. Wir setzen uns für eine Digitalisierung ein, die alle verstehen und aktiv mitgestalten können. Deswegen wollen wir eine kritische Auseinandersetzung mit den folgenden Fragen anregen: Wie sieht eine (digitale) Zukunft aus, in der wir gerne leben möchten? Wie wollen wir in Zukunft arbeiten und lernen? Wie wollen wir am gesellschaftlichen und politischen Zusammenleben teilhaben?

    Welche Themen wurden beim Event «Visionen für ein digitales Basel 2030» besonders heiss debattiert?
    Als Diskussionsgrundlage hatten wir sechs lokale Persönlichkeiten angefragt, sich zu überlegen wie in ihrer Vorstellung eine lebenswerte digitale Zukunft Basels aussehen könnte. Bei den präsentierten Zukunftsvisionen wurde schnell klar, dass die Digitalisierung als Mittel verstanden werden muss um konkrete Bedürfnisse oder Probleme zu lösen, und kein Zweck an sich sein soll. Dies bedeutet, dass bei der Planung und Einführung von digitalen Lösungen der Menschen ins Zentrum gestellt werden muss. Ein digitaler Wandel muss inklusiv sein, das heisst zugänglich für alle Bewohner/innen, unabhängig von ihren digitalen Kompetenzen oder möglichen Beeinträchtigungen. Stark diskutiert wurde ausserdem die Idee, dass wir auch im Digitalen ein Äquivalent des öffentlichen Raums brauchen. Das Bild einer ‘digitalen Allmende’, zu der alle Zugang haben, wurde genannt. Dieser Raum soll nicht von privaten Interessen getrieben werden und unsere Privatsphäre missachten, sondern auf dezentraler Infrastruktur aufbauen.

    Welches Fazit ziehen Sie als Veranstalter aus diesem Event und wie werden die Erkenntnisse verarbeitet beziehungsweise umgesetzt?
    Das grosse Interesse an der Veranstaltung, die an einem sonnigen Freitagabend knapp 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer angezogen hat, zeigt uns, dass diese Fragen zur Ausgestaltung einer digitalen Gesellschaft höchst aktuell sind. Es bestätigt uns ebenfalls in der Annahme, dass es höchste Zeit ist, die Diskussion rund um den digitalen Wandel nicht als technisches Thema zu verstehen, sondern als gesellschaftlichen Veränderungsprozess. An diesem müssen und sollen sich alle beteiligen dürfen. Die Tour durch die Schweiz des DigitalLabors geht in den nächsten Wochen weiter und wird uns nach Luzern, Yverdon-les-Bains, Lugano und Zürich bringen. So soll über die acht Etappen hinweg eine gemeinsame Vision einer lebenswerten digitalen Schweiz im Jahr 2030 entstehen.

    JoW/DaC

    Unter www.digital-labor.ch/basel findet man zusätzliche Informationen zur Veranstaltung in Basel. Zudem ist auf der Website noch eine Dokumentation zu den verschiedenen Events zu finden.


    «Basel bietet ein günstiges Umfeld für neue Ideen und Projekte»

    (Bild: F. Schaub) Lukas Ott: «An erster Stelle steht für mich, den Trend der letzten beiden Jahrzehnte fortzusetzen.»

    Der Leiter Kantons- und Stadtentwicklung Basel-Stadt, Lukas Ott, war einer der sechs lokalen Persönlichkeiten, welche beim Event «Visionen für ein digitales Basel 2030» aufgefordert wurden zu schildern, wie sie sich ein digitales Basel im Jahr 2030 vorstellen.

    Lukas Ott, wo steht Basel aktuell bezüglich des so genannten Digitalisierungsindexes?
    Lukas Ott: Unsere Wirtschaft ist in den letzten 20 Jahren kontinuierlich gewachsen und die Bevölkerungszahl steigt schon seit Jahren stetig an. Für mich ist Basel durchaus eine globale Stadt, wenn auch eine im Kleinformat. Gerade wegen der fortdauernden Erneuerung ist Basel so attraktiv für Menschen aus aller Welt geworden, besonders für innovative, gebildete junge Frauen und Männer, die hier ihre Zukunft gestalten möchten. Und damit auch die der Stadt. Wir von der Kantons- und Stadtentwicklung sind uns bewusst, welchen Vorteil damit Basel im Vergleich zu anderen Städten unserer Grösse hat.

    Gab es eventuell ein Thema, welches Sie besonders beeindruckt hat? Wenn ja, welches und warum?
    Wer nach Basel kommt, trifft auf ein äusserst günstiges Umfeld für neue Ideen und Projekte. Wenn die Schweiz das innovativste Land der Welt ist, dann ist Basel die innovativste Region des Landes. In keiner anderen Stadt der Schweiz werden so viele Patente pro Jahr angemeldet, wie in Basel. Nun müssen wir nur noch sicherstellen, dass wir uns bei Patenten mit Digitalisierungselementen nicht einen substanziellen Rückstand einhandeln. Die Möglichkeiten für clevere Lösungen sind also schier endlos – sofern die datenschützerischen Bedenken entkräftet werden können. Denn Vernetzung heisst immer auch Datenaustausch. Und dieser muss, zumindest nach unseren mitteleuropäischen Ansprüchen, im Sinne des Persönlichkeitsschutzes kontrolliert werden. In Basel besitzen wir die gesetzlichen Grundlagen dafür. Doch ohne Vertrauen nützt alles nichts. Es liegt an den Behörden mit einer klaren Gouvernanz und den partizipierenden Firmen und Institutionen, das Vertrauen durch Transparenz und Wahrhaftigkeit herzustellen.

    Was war Ihr persönliches Fazit aus diesem Event?
    An erster Stelle steht für mich, den Trend der letzten beiden Jahrzehnte fortzusetzen. Zum Zweiten: Basel wird als dynamische Stadt der kurzen Wege jede Menge junger Menschen mit neuen Ideen anlocken. Weil drittens: Ohne gut ausgebildete und kreative Software-Entwickler, Applikationsingenieurinnen, E-Commerce-Manager, IT-Auditorinnen, Mediamatiker und so weiter und so fort Digitalisierung nicht möglich ist. Und schliesslich: Wir wollen 2030 in Europa und darüber hinaus in Sachen Lebensqualität, Innovation, Digitalisierung und Umwelt einen Spitzenplatz belegen. Wenn wir im Jahr 2030 zurückblicken auf das Jahr 2021, hoffe ich, sagen zu können: Wir haben es gepackt!

    Werden Sie beim nächsten Event in Basel wieder als Referent da sein?
    Vernetzung ist beim Thema Digitalisierung ein zentrales Stichwort. Über Schnittstellen werden Partnerschaften zwischen den verschiedenen Projekten möglich und neue Ideen angestossen. Daraus anwendbare Lösungen sollen übernommen werden – für die Areal- und Stadtentwicklung und auch darüber hinaus. Und weil trotzdem nicht nur zählt, was digital ist, braucht es auch Raum für analoges Erleben und Austauschen. Deshalb bin ich sehr gerne dabei, wenn sich Wirtschaft, Wissenschaft, Verwaltung und Öffentlichkeit weiterhin zu diesem Thema austauschen können.

    JoW/DaC

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